Alfred Kerr

Geboren:
25.12.1867
Gestorben:
12.10.1948

Der wohl bekannteste und umstrittenste Theaterkritiker und Schriftsteller seiner Zeit, die „Jüdische Allgemeine“ nannte ihn 2016 den „Marcel Reich-Ranicki des Kaiserreichs und der Weimarer Republik“, wurde 1867 als Alfred Kempner in Breslau geboren. 1909 wandelte er seinen Familiennamen in Kerr um. Er wuchs in einer säkularen jüdischen Familie auf und studierte in Breslau und Berlin, das für ihn ab 1887 zur Heimatstadt wurde. Ab den 1890er Jahren verfasste Kerr sehr erfolgreich Erzählungen sowie kleine feine Beobachtungen aus dem Berliner Alltagsleben, in den „Berliner Briefen“, auch „Plauderbriefe“ genannt, die in der „Breslauer Zeitung“ veröffentlicht wurden.

Später verfasste er für mehrere Tageszeitungen wie die „Vossische Zeitung“, die „Neue Rundschau“ und die „Königsberger Allgemeine Zeitung“ die bei seiner Leserschaft beliebten Theaterkritiken, welche unverwechselbar pointiert daherkamen. Gemeinsam mit dem Verleger Paul Cassirer und dem Publizisten Wilhelm Herzog gründete Kerr 1900 die Theaterzeitschrift „Pan“, deren Herausgabe er wenige Jahre später allein verantwortete. Zu den Beitragenden dieser Zeitschrift zählten u.a. Kurt Tucholsky, Frank Wedekind und Heinrich Mann. Bis zu seiner Flucht ins englische Exil 1933, er hatte vor den Nationalsozialisten bereits wiederholt und früh öffentlich gewarnt, schrieb er für das „Berliner Tageblatt“.

In den 1920er Jahren bereiste Kerr etliche Orte und Länder rund um die Welt und versammelte seine mit spitzer Feder geschriebenen Erfahrungen, Begegnungen und Beobachtungen in sehr lesenswerten Reiseberichten und -feuilletons. Seine Theaterkritiken brachen mit jeglicher Konvention, er bediente sich des Dialekts, Wortspielereien und knappen Bemerkungen, in seinen eigenen Worten: „Mein Werk ist nicht mit dem Schweiß einer Wissenschaftlichkeit kunstfern geschrieben, sondern mit dem Blut des Herzens.“ (zitiert in: Kilcher, Andreas (Hrsg.): Deutsch-jüdische Literatur. 120 Porträts. Stuttgart/Weimar 2006, S. 116). Kurt Tucholsky schrieb über Kerrs Gedichte: „[Sie] hauen ein wie ein gut sitzender Säbel.“ (ebd.).

1918 heiratete Alfred Kerr Ingeborg Thormählen, sie verstarb noch im selben Jahr. Mit Julia Weismann, seiner zweiten Ehefrau, gründete er eine Familie, sie bekamen einen Sohn und eine Tochter, die bekannte Schriftstellerin Judith Kerr. Die Kerrs verließen Deutschland 1933 und erreichten nach mehreren Stationen London. Ein Jahr später erschien sein Exilbuch „Die Diktatur des Hausknechts“, in dem er mit der Nazidiktatur und Hitler abrechnete. Alfred Kerr schrieb für diverse Exilzeitungen, jedoch lebte die Familie in Armut. Nach dem Krieg fuhr er 1948 erstmals wieder nach Deutschland zu einer Vortragsreise. In Hamburg erlitt er einen Schlaganfall, die Folge waren Lähmungen, von denen er sich nicht mehr erholte. Kurze Zeit später setzte er seinem Leben ein Ende.

Text: Katrin Huhn

Literatur: Kilcher, Andreas (Hrsg.): Deutsch-jüdische Literatur. 120 Porträts. Stuttgart/Weimar 2006.

Werk