Adelheid Popp, Der Weg zur Höhe. Die sozialdemokratische Frauenbewegung Österreichs, 1929

Quellenbeschreibung

Die österreichische Frauenrechtlerin Adelheid Popp gibt in ihrer 1929 vom Frauenzentralkomitee der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschösterreichs herausgegebenen Schrift „Der Weg zur Höhe“ einen historischen Rück- und Überblick über die Entstehung und Entwicklung der 1850 gegründeten österreichischen Frauenrechtsorganisation bis in das Jahr 1929. Die erfolgreichen Tätigkeiten ihrer Organisation mit abgedruckten Statuten, Materialien, Redeprotokollen und Versammlungsberichten lässt Popp hier ebenso abdrucken, wie die Denkschrift der vom monarchischen Staat konfiszierten Artikel aus der „Arbeiterinnen-Zeitung“. In einem chronologischen Abriss geht sie den Errungenschaften und Rückschlägen der sozialdemokratischen Frauenbewegung der vergangenen 80 Jahre nach. Popp setzt damit allen Mitwirkenden und ihren Begleiterinnen auf dem Weg hin zu einer auf allen Ebenen gleichberechtigten Frauenbewegung Österreichs ein Denkmal. Ihr Vorwort offenbart das politische Ziel: „Wir legen dieses Buch der Öffentlichkeit vor mit dem Wunsche, es möge der sozialistischen Frauenbewegung und damit dem Sozialismus Dienste leisten.“ (S. 5).

Zu Beginn ihrer Denkschrift führt Popp sämtliche Vorreiterinnen wie bspw. Olympe de Gouges, Mary Woolstonecraft, Sonja Kowaleska und weitere an. Neben denen, die die Anfänge der Frauenbewegung maßgeblich verkörperten, hebt sie die richtungsweisenden Schriften von Karl Marx, Friedrich Engels und August Bebel hervor. Der Fokus liegt auf die Teile, in denen sich die drei politischen Schriftsteller mit den unzumutbaren und ausbeuterischen Verhältnissen der Arbeiterinnen in den Fabriken beschäftigten und die Frauen zur Gegenwehr aufriefen. Popp führt aus, wie mit Unterstützung des Begründers der österreichischen Sozialdemokratie, Victor Adler, der 1889 die „Arbeiter-Zeitung“ gründete, erste Schritte hin zu einem Arbeiterinnen-Bildungsverein gegangen werden konnten. Der Verein hatte die Aufgabe, Bildung und Informationen zu verbreiten, es sollten Vorträge gehalten und so viele Frauen wie möglich mobilisiert werden, zu den ausgerichteten Versammlungen zu kommen, um für ihre Rechte zu kämpfen sowie auch nötigenfalls zu streiken.

Über die Arbeit des Vereins schreibt Popp rückblickend: „Der Arbeiterinnen-Bildungsverein hat unbestreitbare Verdienste um die Aufrüttelung der Frauen und um ihre Erweckung zum Selbstbewußtsein und zum Organisationsgedanken. Er war der erste Ort, wo […] sozialistische Aufklärung vermittelt wurde.“ (S. 51). Mit der Gründung der „Arbeiterinnen-Zeitung“ und ihrer Herausgabe 1892 erweitert sich die Reichweite der Bewegung und ihrer Ziele. Adelheid Popp selbst wird nach acht Jahren Fabrikarbeit Mitautorin der Zeitung und aktive Rednerin auf den organisierten Kundgebungen. An eine von der Polizei kontrollierten Versammlung erinnert sie sich: „Ich forderte nicht nur das Wahlrecht für die arbeitenden Frauen, ich sprach auch über die Prostitution und übte Kritik am damaligen Wiener Gemeinderat. […] Ich führte in der Versammlung aus, wenn man von den Prostituierten, von welchen viele nur durch Not, Arbeitslosigkeit, Hunger und Verführung zu diesem Beruf gekommen sind, Steuern einhebe, so müsse man diesen Frauen auch das Wahlrecht geben.“ (S. 32). 1893 findet die erste sozialdemokratische Frauenrechtsversammlung statt, auf der Resolution bestimmten folgende Punkte die Agenda: „[…] das aktive und passive, allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht für alle Vertretungskörper, für alle Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechtes vom 21. Lebensjahre an […]“ (S. 37).

Das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht konnte jedoch erst 1907 errungen werden. Popp hebt hervor, dass erst „Karl Marx und Friedrich Engels, die großen wissenschaftlichen Vorkämpfer des Proletariats, […] der Arbeiterschaft die Augen geöffnet [haben], daß Frauen und Kinder gerade in Zeiten furchtbarer Arbeitslosigkeit der Männer willkommene Arbeitskräfte für den Kapitalismus sind.“ (S. 39). Auf den Kundgebungen wird die Verkürzung der Arbeitszeit auf acht Stunden, Arbeitsschutz sowie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und eine gleichwertige Bezahlung gefordert. Während der Versammlungen, die die Geheimpolizei ständig überwacht, werden die Rednerinnen immer wieder wegen Aufwiegelung oder Hetze verhaftet und verurteilt. Erstmals, 1893, findet ein dreiwöchiger Streik der Arbeiterinnen wegen der unzumutbaren Verhältnisse in den Fabriken statt. „Den Genossinnen war es darum zu tun, das weibliche Geschlecht nicht nur zu organisieren, sondern aufzuklären und zur Erkenntnis seiner unwürdigen Lage zu bringen.“ (S. 45). Es konnten Heime für stellenlose Frauen, aber auch Debattierclubs und Wanderversammlungen eingerichtet werden, die es den Frauen ermöglichten, sich zu wehren und zu wirken.

Die Bedeutung der regelmäßig stattfindenden Frauenversammlungen an vielzähligen Orten fasst Popp folgendermaßen zusammen: „[…] sie veranstalteten nicht nur demonstrative Frauenversammlungen, sie setzten sich mit Fabriken in Verbindung und gewannen Genossinnen, die die ‚Arbeiterinnen-Zeitung‘ in die Fabriken mitnahmen und dort Abonnenten warben.“ (S. 66). Dank der Sozialdemokraten, namentlich vor allem Victor Adler, werden erstmals 1896 Gewerbeinspektorinnen in den Fabriken und Gewerben eingesetzt, um die Arbeitszustände zu kontrollieren. 1904, nach Gründung des sozialdemokratischen Vereins für Frauen und Mädchen mit 600 Mitgliedern zwei Jahre zuvor, findet erstmals eine Generalversammlung statt. Auf ihr werden maßgebliche Veränderungen hinsichtlich des Arbeiterinnenschutzes gefordert. Nicht nur wir die Arbeitszeit auf längstens sechs Stunden für jugendliche Arbeiter:innen vorgesehen, „die Erhöhung der Altersgrenze jugendlicher Arbeiter auf achtzehn Jahre wird gefordert.“ (S. 81f.).

Zur Rolle der Frau in der Gewerkschaftsbewegung befindet Popp: „Die Geschichte der österreichischen Frauenbewegung wäre unvollständig, ohne über die Frau in der Gewerkschaftsbewegung speziell zu sprechen. Da der politischen Betätigung der Frauen im Anfang nicht nur gesetzliche Hindernisse entgegenstanden, sondern auch die Auffassung vieler Genossen aus der Gewerkschaftsbewegung, daß die politische Agitation die Frauen vom Beitritt abhalten würde, so mußte darauf Rücksicht genommen werden. Aber die alljährliche Maifeier, die zahlreichen Lohnkämpfe, die Wahlrechtskämpfe gaben der Bewegung einen so politischen Charakter, daß die Arbeiterinnen davon ergriffen werden mußten.“ (S. 88).

1928 zählt die politische Frauenbewegung Österreichs 221000 Mitglieder, ein immenser Anstieg von anfangs 700 Teilnehmerinnen. Adelheid Popp gibt einen beispielhaften Überblick über einzelne Regionen, in denen Frauen während des Ersten Weltkrieges unter menschenunwürdigen bis hin zu lebensgefährlichen Zuständen arbeiteten. Über die Jahre hinweg fordert sie immer wieder gesetzgeberische Maßnahmen und schließt triumphierend nach Ende des Krieges im November 1918: „Der schon lange vorausgesagte Zusammenbruch war gekommen. Die Soldaten strömten zurück, die Republik wurde proklamiert, die politische Gleichberechtigung war erreicht, das Wahlrecht aller Frauen vom zwanzigsten Lebensjahr an wurde beschlossen. Die Sozialdemokraten hatten wahr gemacht, was die Frauen von ihnen erhofft hatten. Auf ihren Antrag wurden die Frauen gleichberechtigte Bürgerinnen. Aus niedrigsten Anfängen, Schritt um Schritt vorwärtskämpfend, haben die Frauen die Höhe erklommen […]“ (S. 125).

Text: Katrin Huhn

Empfohlene Zitation

Adelheid Popp, Der Weg zur Höhe. Die sozialdemokratische Frauenbewegung Österreichs, 1929, veröffentlicht in: Digitale Bibliothek verbrannter Bücher, <https://www.verbrannte-buecher.de/bibliothek/source-11> [07.12.2024].