» Deutsche Studenten im Kaiserreich

Der Literaturhistoriker und -kritiker Adolf Bartels

An der Berliner Universität hatte auch Adolf Bartels (1862-1945) studiert, bevor er sein Studium abbrach und nach gescheiterten schriftstellerischen Versuchen als freischaffender Literaturhistoriker und -kritiker arbeitete. Rückblickend erweist sich Bartels als besonders einflussreich unter Studenten und für die von ihnen organisierten Bücherverbrennungen 1933. Auf Bartels’ Initiative hin gründeten Philipp Stauff und Fritz Bley (1853-1931) zusammen mit ihm 1910 den Deutschvölkischen Schriftstellerverband, dessen Vorsitzender er wurde. Bartels förderte seit 1909 den nationalistischen und antisemitischen Deutschvölkischen Studentenverband Berlin, der reichsweit Ortsgruppen an fünfzehn Universitäten unterhielt, für die „Bekämpfung der Juden im öffentlichen und politischen Leben“ eintrat und die „Deutschvölkischen Hochschulblätter“ herausgab, in denen auch Bartels das Wort ergriff. Seine „Geschichte der Deutschen Literatur“ (1901/1902) erschien in hohen Auflagen bis 1940. In ihr suchte er „den Stolz auf unser deutsches Volkstum zu stärken und das nationale Gewissen zu schärfen“. Er fasste die deutsche Literatur gegenüber den anderen europäischen Nationen als überlegen auf und nannte zur Begründung eine „große Ursprünglichkeit der deutschen Dichtung“, „die zuletzt auf die unverändert starke Wirkung des germanischen Blutes zurückzuführen ist.“

Auszug aus Adolf Bartels’ Vortrag "Der deutsche Verfall", erstmals gehalten am 21. Januar 1913 in Berlin. Hier in der dritten Auflage, erschienen im Sis-Verlag in Zeitz 1919, S. 26.
Auszug aus Adolf Bartels’ Vortrag „Der deutsche Verfall“, erstmals gehalten am 21. Januar 1913 in Berlin. Hier in der dritten Auflage, erschienen im Sis-Verlag in Zeitz 1919, S. 26.

Dezidiert ab 1914 forderte Bartels die „reinliche Scheidung“, wie er es nannte, die kategorielle, rassisch verstandene Einteilung zwischen jüdischen und nichtjüdischen Schriftstellern in der Literatur, weil seiner Ansicht nach ein wachsender Einfluss der Juden das ›deutsche Volk‹ und seine Kultur ruinierten. Als Beispiel diente Bartels Heinrich Heine (1797-1856), der den ›deutschen‹ Dichtern die „Elemente seiner Poesie bis in die Einzelheiten abgeborgt hat, um sie dann jüdisch ›aufzumachen‹ – Aufmachung ist das bezeichnende Wort für fast jede Art jüdischer Tätigkeit.“ Bartels rechnete vor, 25 Prozent der Professoren an den Universitäten seien Juden, während ihr Anteil an der Bevölkerung gerade 1 Prozent ausmache. So komme es, nach Bartels, zu einer „Verjudung der Seele des deutschen Volkes“, indem Juden in den Zeitungen, in den Feuilletons, in den Wissenschaften, besonders in der Germanistik – Bartels’ eigenem Fach – auf dem Theater, in Musik und Malerei herrschen und „deutsche Talente“ zurückdrängen würden. Die Juden seien, so Bartels in einem mehrfach vor großem Publikum gehaltenen Vortrag, die „Verwalter unseres geistiges Besitzes“, sie ›töteten‹ die „volkstümliche Kultur“ und setzten eine „Scheinkultur an ihre Stelle.“

1912 war Bartels Mitinitiator der Gründung des Deutschen Studentenverbands Leipzig. Auf dessen erster öffentlicher Versammlung hielt er den zitierten Vortrag „Der deutsche Verfall“, den er erneut am 21. Januar 1913 im Berliner Marinehaus vor 2000 Zuhörenden zum Besten gab, mit dem Ziel, eine „allgemeine Mobilmachung der deutschbewußten Kreise gegenüber fremdvölkischen Herrschaftsbestrebungen“ einzuleiten. Wie Theodor Fritsch oder Heinrich Claß vertrat Bartels die Auffassung, Juden beherrschten das geistige und künstlerische Leben, ihre Herrschaft war für ihn der vorläufige Endpunkt einer kapitalistischen Entwicklung, die bislang in eine „geheime Judenherrschaft“ geführt habe; es drohe die „offene Judenherrschaft“, „der Schlußpunkt der kapitalistischen Entwicklung.“ Bartels vertrat den Standpunkt, „der abgetane Liberalismus“ werde durch das „Werk des Judentums“ in Deutschland „künstlich am Leben erhalten“. Zugleich aber sei auch die Sozialdemokratie „von jüdischen Führern geschaffen und zum Teil auch geleitet“, und dies, so Bartels, sei der Grund, warum sie „leider niemals so recht eine deutsche Arbeiterpartei, sondern wesentlich immer eine politische Hetzpartei gewesen“ sei, die den Liberalismus nie „überwunden“ habe. So konnte Bartels Liberalismus und Sozialdemokratie mithilfe des Antisemitismus gleichsetzen. Dies ermöglichte eine Theodor Fritschs Vorstellungen sehr ähnliche, scheinbar kapitalismuskritische Gesellschaftsdiagnose, in der die ›bodenständige Organizität‹ einer Gemeinschaft durch eine von Juden betriebene ›Mechanisierung‹ bedroht würde. Dass Bartels sich 1924 in seiner Schrift „Der Nationalsozialismus. Deutschlands Rettung“ offen zur NSDAP bekannte, erscheint konsequent, aber auch unabhängig von seiner späteren Parteimitgliedschaft gehörte Bartels zu den wichtigsten ideologischen Vorbereitern des deutschen Faschismus und seiner rassistisch antisemitischen Politik.

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