» Kampf um das Studentenrecht

DHR gewinnt den Kampf um die DSt-Verfassung

Nach dem Rathenau-Mord wurden mit dem ›Gesetz zum Schutze der Republik‹ regional einzelne Hochschulringe deutscher Art verboten. Da Preußen die Abhaltung des DHR-Gegenstudententags in Marburg verboten hatte, trafen sich die studentischen Vertreter des Deutschen Hochschulrings im bayrischen Würzburg. Letztlich nahm der Großteil der AStA-Vertreter an diesem Gegenstudententag teil, denn an den Hochschulen hatte der DHR in dieser Zeit eine klare Mehrheit. Auf dem Würzburger Vertretertag wurde eine neue Verfassung angenommen, welche die Aufgliederung der Studentenschaft zurücknahm, den Zustand von 1920 wiederherstellte und den alten und parallel existierenden Vorstand der Deutschen Studentenschaft isolierte: eine Mitgliedschaft wurde nun wieder vom Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vor August 1914 abhängig gemacht, gleichzeitig galt weiter das rassistische „völkische Prinzip“ für Ausländer, nach dem „Auslandsdeutsche“ aufgrund einer „rassischen Zugehörigkeit“ zum „Volkstum“ Mitglied in der DSt werden konnten. Diese Verfassung blieb bis zum Februar 1934 in Kraft. Zugleich wurde ein neuer Vorstand gewählt, der Burschenschaftler Fritz Hilgenstock (1898-1961) wurde Vorsitzender.

Nach diesem zweiten Würzburger Studententag von 1922 besaß die DSt eine Zeit lang (bis 1924) formal zwei Vorstände. Der vom DHR dominierte neue Vorstand (er siedelte nach Berlin um) verklagte den alten wegen Amtsanmaßung, und die Justiz gab ihm Recht. Derart ermutigt, legte der neue DSt-Vorstand am 17. August 1922 eine Denkschrift vor, die eine Neuregelung auch des preußischen Studentenrechts auf der Grundlage der Würzburger Verfassung forderte. Damit forderten die Studenten das preußische Kultusministerium auf, die ›großdeutsche‹ und rassistische Lösung für das preußische Studentenrecht zu übernehmen. Doch die Kultusministerien der Länder machten nun einen fortschrittlichen Vorstoß, um ihrerseits eine Korrektur der DSt-Verfassung zu erwirken: Auf der Hochschulkonferenz der Länder-Kultusminister vom 23. September 1922 einigten sich die Minister auf die „Stralsunder Beschlüsse“, in denen sie von der DSt eine Mitgliedschaft „ohne Bindung an Rasse und Konfession“ sowie die Änderung des Aufbaus der ›auslandsdeutschen‹ Studentenschaften oder deren Ausschluss aus der DSt forderten. Der preußische Wissenschaftsminister Otto Boelitz (1876-1951, zu dieser Zeit DVP, später CDU) wies die Universitätsverwaltungen vorerst an, der DSt keine Beiträge von den Einzelstudentenschaften mehr zuzuführen. Andere Länder folgten seinem Beispiel.

Doch dann wendete sich das Blatt wieder. Wegen der vertraglich zugesicherten, aber ausbleibenden Reparationszahlungen besetzten die belgische und französische Armee am 11. Januar 1923 das Ruhrgebiet, um die Reparationen direkt aus den Zechen zu beziehen. Das Bankhaus Warburg initiierte eine Woche später ein Vermittlungsgespräch zwischen den zwei konkurrierenden DSt-Vorständen mit dem Reichskanzler Wilhelm Cuno (1876-1933; parteilos). Cuno trat für ein ›nationales‹ Zusammengehen der Studenten im Widerstand gegen die Besetzung ein, und tatsächlich beschlossen die Vorstände, „in rein außenpolitischen Fragen“ zusammenzuarbeiten und verkündeten, die DSt kenne „trotz aller Gegensätze auf hochschulpolitischem Gebiet … nur eine nationale Ehre und ein gemeinsames vaterländisches Ziel.“ Diese politische Einigkeit hatte für die Hochschulverwaltungen und Bildungsministerien der Reichsländer letztlich größeres Gewicht als die Verwicklung des DHR in die politischen Morde oder ihre rassistische, ausgrenzende DSt-Verfassung. Einige Wochen später hoben die Reichsländer die Beitragssperren wieder auf, und als im November 1923 die Hochschulkonferenz der Länder in Regensburg zusammenkam, war die Erinnerung an die „Stralsunder Beschlüsse“ (DSt-Mitgliedschaft „ohne Bindung an Rasse und Konfession“) des Jahres zuvor wieder verblasst. Die Konferenz beschloss, von dieser demokratischen Abweichung von ihrer Linie Abstand zu nehmen.

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