» Kampf um das Studentenrecht

Deutsche Hochschulen und die nächste Runde des Verfassungsstreits 1927

Der DSt-Vorstand hielt den Studententag 1924 im österreichischen Innsbruck ab, um seine „großdeutschen“ Ziele zu betonen. Doch nachdem die Teilnahme des Münchner Hochschulrings deutscher Art am Hitler-Ludendorff-Putsch öffentlich wurde und eine Periode wirtschaftlicher Konjunktur einsetzte, traten eine Reihe von Burschenschaften und viele Vereine, zunächst aus den katholischen Verbänden, aus dem DHR aus. Der DHR verlor zunehmend an Einfluss in der DSt. Den bereiteten Boden aber, den er hinterließ, machten sich die ersten offen faschistischen Hochschulgruppen zunutze, die vorerst als eigenständige und – nach der Aufhebung des NSDAP-Verbots im Februar 1925 infolge des Hitler-Ludendorff-Putschs vom November 1923 – als NSDAP-Hochschulgruppen bei den AStA-Wahlen antraten. Am 8. Dezember 1925 gründete sich der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB) in München. In ihm stand zunächst eine Mehrheit einem pseudolinken Kurs des Flügels in der NSDAP um Gregor Strasser näher, der 1928 abgelöst wurde, als Baldur von Schirach den Vorsitz übernahm und Hitlers Politik unterstützte.

Für die studentische Kampagne „Wider den undeutschen Geist“ im April und Mai 1933 spielt der Verlust der staatlichen Anerkennung der DSt 1927 eine wichtige Rolle. Eine preußische Landtagsmehrheit aus SPD, DDP und Zentrum nahm Unstimmigkeiten in der Kassenführung des studentischen Dachverbands zum Anlass, die Landtagsregierung aufzufordern, die Studentenrechtsverordnung vom September 1920 zu ändern und die „Stralsunder Beschlüsse“ der Hochschulkonferenz der Kultusminister von 1922 („ohne Bindung an Rasse und Konfession“) umzusetzen. Der preußische Kultusminister und Islamwissenschaftler Carl Heinrich Becker (1876-1933) beantragte beim preußischen Staatsministerium im Dezember 1926 eine Umgestaltung des Studentenrechts in diesem Sinne und forderte die preußischen Studentenschaften auf, bis zum März 1927 dazu Stellung zu nehmen. Nachdem sich die preußischen Studierendenvertreter in Magdeburg im Januar 1927 auf eine Gegenerklärung einigten, kam es in den folgenden Monaten zu einer rassistischen, antisemitischen, nationalistischen und antirepublikanischen Kampagne von Hochschulring, Waffenring (ADW) und dem NS-Studentenbund mit finanzieller und logistischer Unterstützung des rechten Parteienspektrums (NSDAP, DNVP, BVP) und dem Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten. Letzterer hatte sich Ende 1918 gegründet und wuchs schnell zum größten nationalistischen Wehrverband der Weimarer Republik an. Er stand der DNVP nahe, fasste 1929 eine halbe Million Mitglieder und gliederte sich 1933 in die SA ein. Im Mai 1927 gründete der Stahlhelm eine eigene Hochschulgruppe.

Der Vorstoß des preußischen Kultusministers war, verglichen mit den Kultusministerien der anderen Reichsländer, sehr fortschrittlich. Die preußische Regierung erließ am 27. September 1927 eine neue Studentenrechts-Verordnung auf der Grundlage der „Stralsunder Beschlüsse“ mit einer Mitgliedschaft in der DSt auf staatsbürgerlicher Grundlage. Über diese Verordnung sollten Ende November alle Studierenden an den preußischen Universitäten abstimmen. Das Ergebnis lässt ahnen, welche Arbeit der DHR geleistet hatte. In einer Phase wirtschaftlicher Hochkonjunktur stimmten am 30. November 1927 77,6% der Studierenden an den preußischen Hochschulen (über 35.000) für einen Ausschluss „jüdischer“ und ausländischer Studierender aus der Deutschen Studentenschaft und gegen Beckers Vorschlag. Die Wahlbeteiligung hatte bei knapp 70% gelegen. Zwar wurden daraufhin die preußischen Studentenschaften im Dezember aufgelöst, aber die Deutsche Studentenschaft blieb als privatrechtliche Organisation bestehen. Sie erhielten nun von den Universitätsverwaltungen keine offiziellen Beiträge der immatrikulierten Studierenden mehr, da ihnen die staatliche Anerkennung zumindest in den meisten Hochschulorten der Republik fehlte (Württemberg und Bayern schlossen sich der Entscheidung des preußischen Kultusministeriums nicht an). Sie blieb jedoch weiterhin ein einflussreicher Faktor in der studentischen Meinungsbildung.

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