„Es klafft heute ein Widerspruch zwischen Schrifttum und deutschem Volkstum. Dieser Zustand ist eine Schmach.“ Die ersten beiden Punkte des Plakats „Wider den undeutschen Geist!“
Es ist kein Zufall, dass die Studenten ihre „Thesen“ und Forderungen auf dem Plakat mit dem Begriff des „deutschen Volkstums“ (Punkt 1 und 2) begründeten, einem Begriff, der von Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852), mitunter verharmlosend als „Turnvater“ bezeichnet, in seiner Schrift „Deutsches Volkstum“ (1810) vor den sogenannten „Befreiungskriegen“ der deutschen Monarchien gegen die republikanische Besatzung durch französische Truppen unter Napoleon Bonaparte geprägt wurde. Jahn bezeichnete darin das „Volkstum“ als eine „Einungskraft“. „Es ist“, so Jahn, „das Gemeinsame des Volks, sein inwohnendes Wesen, sein Regen und Leben, seine Wiedererzeugungskraft, seine Fortpflanzungsfähigkeit“. Jahn definierte das „Volkstum“ 1810 biologisch und kulturell zugleich, und in dieser doppelten Bedeutung wird der Begriff ab 1908 auch in „Meyers Großem Konversations-Lexikon“ mit Verweis auf Jahns Buch aufgeführt. Der dominierende Einfluss dieses Volkstums seien, so die Autoren des Lexikons, die „Rasseeigentümlichkeiten“: „Volkstum“, hieß es dort 1930 (ähnlich wie in der früheren Auflage 1908 rechts im Bild),
Der Eintrag „Volkstum“ aus dem 1908 erschienen 20. Band der 6. Auflage von Meyers Großem Konversations-Lexikon. Links als Text zum Vergleich die Definition in der späteren 7. Auflage.
„bezeichnet die Summe der ein Volk kennzeichnenden wesentlichen Züge seines geistigen bzw. seelischen Lebens. Die Verbindung der einzelnen Personen mit dem V[olkstum], die von Einflüssen der Umgebung und der Erziehung, vor allem aber auch von den ererbten Rasseeigentümlichkeiten abhängt, ist verschieden eng; betätigen kann sie sich in fast allen Äußerungen des geistigen und des täglichen Lebens.“
Jahns Buch wurde zu einem mobilisierenden Klassiker unter der preußisch-junkerlichen Allianz gegen die napoleonische „Fremdherrschaft“. Diese Allianz kämpfte nicht nur gegen Napoleons Armee, sondern auch gegen eine Reihe von Bürgerrechten, die, dort wo sie eingeführt worden waren, einen sozialen Fortschritt bedeutet hatten. Sie entfielen mit der Niederlage Napoleons. Es begann ein Zeitalter der Restauration in Europa, auch in den deutschen Fürsten- und Königtümern.
Wenn die Verfasser des Plakats statt explizit auf einen Begriff der Rasse auf das „deutsche Volkstum“ und Hanskarl Leitritz und Gerhard Krüger in ihrem Entwurf der Kampagne vom 2. April auf das Wartburgfest Bezug nahmen, so hatte dies auch eine taktische Funktion. Der Volkstumsbegriff erlaubte die Anlehnung an Friedrich Ludwig Jahns „Deutsches Volkstum“, einen Klassiker der deutschen Burschenschaften, die sich der Angliederung an die NSDAP zu einem kleineren Teil noch verweigerten. Das Ziel der Verfasser des Plakats sowie von Leistritz und Krüger schien es daher zu sein, mit dem Plakattext auch diejenigen Burschenschaften für die Aktion zu gewinnen, denen der offene Terror von SA und SA, für die sich viele Studenten und NSDStB-Mitglieder meldeten, noch zu weit ging. So erklärt sich möglicherweise auch, dass mit Hanskarl Leistritz ein korporierter Turnstudent und Vertreter des Akademischen Turnbundes, selbst aber weder Mitglied im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund oder der NSDAP zu Beginn der Kampagne Leiter des Hauptamtes für Presse und Propaganda der Deutschen Studentenschaft wurde.