Felix Salten, Neue Menschen auf alter Erde. Eine Palästinafahrt, 1925

Quellenbeschreibung

Felix Salten, der vor allem mit seiner Tiergeschichte „Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde“ (1923) weltberühmt wurde, stand mit seinen Werken ab 1935 auf den sogenannten Schwarzen Listen der Nationalsozialisten. Er begeisterte sich für die Ideen Theodor Herzls und war überzeugt davon, dass der Ort Palästina der richtige Ort für Juden und Jüdinnen sei, die u.a. vermehrt vor Pogromen flüchten mussten.

In seinem Buch „Neue Menschen auf alter Erde“, das 1925 vom Zsolnay Verlag herausgegeben wurde, schildert Salten seine Erlebnisse, Beobachtungen und Begegnungen mit den Menschen während einer Reise nach Palästina im gleichen Jahr. Er bietet Einblicke in die Lebens- und Arbeitswelten der dort seit Jahren ansässigen und neu hinzugekommenen Menschen. Voller Begeisterung eröffnet er den Lesenden, dass Palästina der verheißene und richtige Ort für die Juden und Jüdinnen der Welt ist, denn hier können sie eine langfristige und sichere Heimat finden: „Es war damals schon jenes wurzellose Heimweh, das die Juden so oft um einer Heimat willen gelitten haben, die nicht die ihre gewesen und die ihnen nur Mißhandlung geboten hatte.“ (S. 9).

Im Jahre 1925 sieht die Situation folgendermaßen aus: „Aus allen Teilen der Erde sind Juden hier zusammengeströmt, aus dem Osten Europas, aus Indien, aus Amerika, aus dem Kapland und aus dem Yemen. Man spricht Englisch, Französisch, Deutsch, Jiddisch, auch Arabisch. Doch alle vereint die offizielle Umgangssprache: das Hebräische.“ (S. 22). Für Salten gibt es keine andere Heimstätte als Palästina: „Wohin sollte dieses verfolgte, dieses verstoßene Volk sich wenden, was für ein Ziel könnte es in dieser Welt noch haben, was für einen Halt und was für einen Daseinswillen, wenn dieses Land nicht daliegen und warten würde?“ (S. 40). Er reist durch Städte wie Jaffa, Tel Aviv und Jerusalem, schaut sich aber auch die ländlichen Siedlungen des Landes an. Voller Begeisterung berichtet er: „Die Jugend Israels arbeitet hier. […] diese jungen Menschen arbeiten freudig, aus freiem Entschluß, mit dem Feuerfunken der Hoffnung im Herzen.“ (S. 38). Salten ist überzeugt, dass alle Juden und Jüdinnen durch den Entschluss nach Palästina auszuwandern aus den gesellschaftlichen und politischen Zwängen seitens ihrer Herkunftsländer endlich befreit wären. So gibt er der Leserschaft einen Rückblick über den Umgang mit ihnen: „Die Juden sind also städtisch geworden; sie sind dem Handel ergeben und jedem Schacher, der Geld bringt, denn sie lieben das Geld über alles? Nun ja, man hat sie in Städte eingepfercht, hat ihnen in den Städten besondere Quartiere anbefohlen und sie im Ghetto gehalten. Man hat ihnen den Besitz von Boden untersagt und ihnen das freie Wohnen auf freier Scholle verboten. So sind sie städtisch geworden! Ihnen war der Zugang in die arbeitenden Berufe, in die Zünfte des Handwerks gesperrt und so mußten sie sich dem Handel ergeben.“ (S. 41). Aus diesem Grund fordert er die Jüdinnen und Juden auf zu gehen, denn: „[…] jeder ist nötig, der die Bereitschaft hat, mit seiner Hände Arbeit zu helfen, daß der Boden hier wieder fruchtbar werde, jeder, der den Opfermut mitbringt, sein Leben hinzugeben dafür, daß diese Äcker wieder Ernten tragen und auf Berghängen wieder Wälder rauschen. […] die im Erdreich Wurzelnden, die mit ihrem Körper und mit ihren Muskeln Schaffenden, die Einfachen, die Unhysterischen, die Beständigen.“ (S. 45). Salten ist überzeugt, dass es nur diesen Weg geben kann, denn: „Diese jungen Menschen sind vor vier, vor drei Jahren noch in Europa gewesen. Mancher noch vor einem Jahr. Nur wenige von ihnen haben den Krieg hier in Palästina schon mitgemacht. Die meisten lagen an irgendeiner europäischen Front im Schützengraben. Und sind nach dem Zusammenbruch fort, desillusioniert von den blödsinnigen Beschuldigungen, die als einzige Antwort und Vergeltung für die geleisteten Blutopfer kamen […] Als Opfervieh ins Feuer gejagt, als Sündenbock für fremde Mißerfolge behandelt, das war das Schicksal ihres Volkes, war das Schicksal der meisten Einzelnen, die sich dann aufmachten, ohne Verabredung, nur dem Rufe der Idee, nur dem Drang des Herzens folgten und hierherkamen.“ (S. 69f.), sie sollen „[…] weg von den blödsinnigen Beschimpfungen, in denen deutsche Studenten ihren nationalen Geist austoben.“ (S. 54).

Auf seiner Reise besucht Salten neu gegründete ländliche Siedlungen und erkundigt sich nach den Fortschritten und dem Wachstum in den gemeinwirtschaftlichen Betrieben. „Eine ziemlich neue Siedlung ist Beth Alpha. Hier sind Intelligenzler aus Österreich und Deutschböhmen. Hier sind ältere Siedler, die schon jahrelang in Palästina leben, die hebräisch sprechen und Neuankömmlinge, die erst Hebräisch lernen. Zwei Gruppen, deren Vereinigung die Zeit bewirken wird.“ (S. 89). Als Salten Jerusalem erreicht, erinnert er sich liebevoll an die Überzeugungen seines verstorbenen Vaters: „Er glaubte an die Versöhnung der Menschen, an das Aufhören der Gehässigkeit von Volk zu Volk, an das Aufgehen der Juden in die Gemeinschaft der Nationen. Er nannte konfessionelle Unterschiede lachend überlebten Unsinn, warf seine jüdische Erziehung, die ihm als Sohn eines Rabbiners zuteil geworden, warf sein jüdisches Bekenntnis mit dem ganzen Ungestüm seiner impulsiven Natur beiseite und weil er, der liberalen Epoche gemäß, der er angehörte, in seiner Gesinnung ein Kosmopolit war, ergab er sich auch einem unbestimmten, durch keine religiöse Regel oder Tradition gebundenen Pantheismus.“ (S. 100f.) und Salten hofft: „Wenn man überall damit beginnt, die Juden zu betrachten, statt sie, wie jetzt, zu beschimpfen, ohne sie je mit ruhigem Blick angeschaut zu haben, wenn man sich entschließt, sie zu verstehen, statt sie, unkundig ihres Wesens, zu verfolgen, sich allgemein verpflichtet fühlt, von ihrem Schicksal, von ihrem Ethos etwas zu wissen, sich nicht mehr berechtigt glaubt, sie blindlings zu verachten oder zu hassen, dann, ja dann schreibt die neue Zeit ihr erstes Datum in das Buch der Menschheitsgeschichte.“ (S. 157).

Bewundernd besucht er die Kunstschule „Bezalel“ und beschreibt voller Begeisterung die Entwicklung der jüdischen Nationalbibliothek: „Aus der ganzen Welt kommen Büchersendungen. Von überall her reichen die geistigen Fäden bis zur Nationalbibliothek. […] Was sie schon in vielen Exemplaren besitzt, gibt sie an Schulen ab oder an Vereinsbibliotheken oder sie verteilt diese Werke an die Kolonien.“ (S. 123). Diese verheißungsvolle Entwicklung sei nach Salten Theodor Herzl und seinem Schaffen zu verdanken, dem er sehr dankbar ist: „Herzls Schrift [„Der Judenstaat“, Anm. K.H.] erfolgte gewissermaßen als eine Art Antwort auf den damals hochanschwellenden Antisemitismus der Luegerei. […] In den Blättern dieser Schrift erwachte ein stolzer, freier Mensch aus dem Angleichungstraum, den seit den Tagen der Henriette Herz und der Rahel Varnhagen so viele edle und gutgesinnte Juden geträumt haben.“ (S. 171), und weiter: „[…]; könnte er sehen, wie das Heilige Land von jüdischen Siedlern wieder fruchtbar gemacht wird; vernähme er die Botschaft, mit welcher der Völkerbund das alte, historische Recht des jüdischen Volkes in Palästina anerkannt hat, er wäre stolz in dem Bewußtsein, nicht vergeblich gelebt zu haben.“ (S. 174f.).

Salten lernt zum Ende seiner Reise einen Amerikaner kennen, der ein Hilfswerk für Armenier leitet, dieser erzählt ihm „wie dieses arme Volk unter furchtbaren Grausamkeiten dezidiert wurde, was für Tragödien sich abgespielt haben und immer noch abspielen. Es ist entsetzlich.“ (S. 248). Im weiteren Verlauf des Gesprächs ist Salten äußerst irritiert angesichts der nun folgenden Äußerungen: „‚Es ist traurig mit den Juden … es ist sehr traurig!‘ Und da ich mich erkundige, was denn nach seiner Meinung so sehr traurig sei, haspelt er eine alte Litanei herunter, die gerade hier zu hören, mich verblüfft. Ja, die Juden können nur in Städten leben, sie können nur Schacher treiben, und sie seien zu jeglicher Händearbeit ganz untauglich. Die landwirtschaftlichen Versuche, die sie hier angestellt haben, seien elend gescheitert, die Kolonien seien alle verlassen und wüst.“ (S. 248)

Text: Katrin Huhn

Empfohlene Zitation

Felix Salten, Neue Menschen auf alter Erde. Eine Palästinafahrt, Wien 1925, veröffentlicht in: Digitale Bibliothek verbrannter Bücher, <https://www.verbrannte-buecher.de/bibliothek/source-22> [03.07.2025].